Überstunden & Mehrarbeit in anwaltlicher Praxis

Rechtsanwalt Alexander Dietrich aus Heppenheim hat als Fachanwalt einen Schwerpunkt seiner Tätigkeit im Bereich Arbeitsrecht. Am 19.11.2021 präsentierte er in seinem 10-Minuten-Vortrag einen Fall aus der Praxis.

Ein Mitarbeiter ist bei einem Kleinbetrieb mit weniger als 10 Mitarbeitern – beschäftigt. Es kommt wegen Kleinigkeiten zum Streit. Der Arbeitgeber kündigt. Eine Kündigungsschutzklage kommt nicht in Betracht. Der gekündigte Arbeitnehmer weist aber darauf  hin, dass er gar nicht verstehen kann, dass er gekündigt wurde. Er hätte in den letzten Jahren regelmäßig Überstunden gemacht und habe die ihm zustehenden Pausen auf Weisung des Arbeitgebers durchgearbeitet. Die Arbeitszeit war von 9-18 Uhr. Eigentlich hätte eine Stunde Mittagspause angestanden. Die sei aber nie gewährt worden. Daher hätte der Mandant täglich nicht 8 sondern 9 Stunden gearbeitet. Weitere Überstunden nach 18 Uhr seien ebenfalls regelmäßig angefallen. Der Arbeitgeber will nicht zahlen. Er bestreitet die Überstunden und beruft sich auf eine arbeitsvertragliche Verfallklausel sowie auf Verjährung. Wie ist die Rechtslage ?

Lösung:

Der Arbeitnehmer muss beweisen dass er mehr als die vereinbarte Arbeitszeit geleistet hat. Außerdem muss er beweisen, dass das angeordnet oder zumindest vom Arbeitgeber geduldet wurde.Bezüglich der Arbeit nach 18 Uhr hat der Arbeitnehmer ein Problem: Er bräuchte Zeugen, die für jeden Arbeitstag belegen, dass Mehrarbeit angefallen und angeordnet war. Bezüglich der durchgearbeiteten Mittagspause ist es umgekehrt: Hier muss der Arbeitgeber seinerseits beweisen, dass er die geschuldete Pause gewährt hat. Der Arbeitnehmer hat also gute Aussichten, mit einer Überstunde am Tag Ansprüche geltend zu machen. Bei rund 20 Arbeitstagen im Monat, 12 Monaten im Jahr und 3 Jahren Verjährungszeitraum ergibt das: 720 Überstunden. Bei einem Lohn von 10 € / Stunde hat der Arbeitnehmer also eine Forderung in einer Größenordnung von 7.200,00 € brutto (demnächst 12 € Mindestlohn sogar mehr)

Wie kann der Arbeitgeber solche Risiken begrenzen ?
  1. Verfallklausel zur Anspruchsbegrenzung

Durch eine vertragliche Verkürzung der allgemeinen Verjährungsfrist. Im Arbeitsrecht sind Ausschluss- / Verfallfristen seit jeher in den Verträgen gang und gäbe. Sie müssen aber den aktuellen Vorgaben der Rechtsprechung entsprechen. Daher bitte keine Altverträge, keine Muster aus dem Internet, und bitte auch keine Muster vom Steuerberater. Der kann Steuern, aber kein Arbeitsrecht. Hier kommt der Rechtsanwalt als Fachmann für Arbeitsrecht ins Spiel. Häufige Fehler bei Arbeitsverträgen sind

  • Altverträge sehen die Geltendmachung in Schriftform vor. Seit 2018 ist gesetzlich die Textform vorgesehen (also auch Fax, Mail, WhatsApp). Wer seitdem mehr als Textform fordert, torpediert die ganze Klausel.
  • Zu kurze Fristen: Mindestens 3 Monate bei außergerichtlicher / gerichtlicher Geltendmachung: Wer zu kurze Fristen festlegt, torpediert die ganze Klausel.

Welche Ansprüche dürfen von dem vorzeitigen Ausschluss nicht erfasst werden ? Ansprüche, auf die kraft Gesetzes nicht verzichtet werden kann, nämlich

  • Ansprüche aus Vorsatz
  • Verletzung Leben, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Selbstbestimmung
  • Ansprüche aus dem Mindestlohngesetz

Wer hier nicht präzise die Bereiche benennt, die nicht erfasst sein sollen, torpediert die ganze Klausel. Was passiert, wenn die Klausel nicht gilt? Dann gilt das übliche Verjährungsrecht. Geschätztes Arbeitgeberrisiko 7200 € brutto. Was passiert, wenn die Klausel gilt? Dann gilt nicht das übliche Verjährungsrecht. Dann stehen statt 7200 € nur 600 € im Risiko, falls der Arbeitnehmer mit Überstunden kommt. 2. Abgeltungsklausel Überstunden Im Arbeitsvertrag kann eine Klausel aufgenommen werden, wonach Überstunden mit der Vergütung in bestimmten Grenzen abgegolten sein sollen. Bei Normalarbeitsverhältnis etwa 20 Stunden im Monat, sofern dadurch der Mindestlohn nicht unterlaufen wird. Bei höherer Vergütung bzw. Fixum und variablen Vergütungsbestandteilen geht auch mehr. Im Fall machte der Arbeitnehmer rund 20 Überstunden im Monat. Hätte der Arbeitgeber eine Kombination aus wirksamer Verfall- und Begrenzungsklausel im Vertrag gehabt, müsste er für die durchgearbeiteten Mittagspausen nichts zahlen. So muss er 7200 € zahlen. Rechtsanwalt Dietrich wendet sich als Fachanwalt für Arbeitsrecht an

  • Arbeitnehmer, die Konflikte im Arbeitsverhältnis haben und
  • Arbeitgeber, also Inhaber, Geschäftsleitung, Personalleiter.